DIE NEUORDNUNG DES DEUTSCHEN SÜDWESTENS
Mit der Französischen Revolution 1789 begann die Karriere Napoleon Bonapartes vom Offizier bis zum Kaiser der „Grande Nation“. Ab 1795 besetzte das revolutionäre Frankreich die deutschen Gebiete links des Rheins. Frankreich sah den Fluss als natürliche Grenze beider Länder an. 1799 bildete Württemberg mit Österreich und weiteren Mächten eine Koalition gegen Napoleon – und musste sich ein Jahr später geschlagen geben. Im Frieden von Lunéville 1801 wurde festgelegt, dass die linksrheinischen Gebiete dauerhaft zu Frankreich gehören. Zur „Kompensation“ sollten die betroffenen deutschen Fürsten rechts des Rheins Entschädigungen erhalten. Manche Fürsten erhielten deutlich mehr, als sie verloren hatten.
GEWINNER UND VERLIERER
Mit dem Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 wurden kleinere Gebiete der Landeshoheit unterworfen und geistliche Fürsten säkularisiert. Ihre Herrschaften und ihr Besitz fielen an die benachbarten Landesherren größerer Territorien. Der Deutsche Orden wurde davon explizit ausgenommen. Vielmehr erhielt er sogar selbst eine Entschädigung für den Verlust linksrheinischer Gebiete. Er geriet jedoch in den Sog der Neuordnung, der ihm zum Verhängnis werden sollte. Zu Beginn des Fünften Koalitionskriegs 1809 marschierten württembergische Truppen in Mergentheim ein. Württemberg stand an der Seite Napoleons gegen Österreich. Wenig später erklärte Napoleon den Deutschen Orden in weiten Teilen Deutschlands für aufgelöst.
DAS ENDE DES DEUTSCHEN ORDENS IN MERGENTHEIM
Über 250 Jahre lang, von 1527 bis 1809, hatten die Hochmeister des Deutschen Ordens ihre Residenz in Mergentheim. Nun brach die Tradition. 1810 verfasste ein Augenzeuge einen Bericht über den Einmarsch der Württemberger: „Im Gefühle des tieften Schmerzens ruht die Erinnerung auf jenem Tag des Unglücks. Es war der 20. April … an dem früh zwischen 8 und 9 Uhr ein Theil eines Würtembergischen Regiments mit einigen Kanonen, wie eine unglücksschwangere Gewitterwolke, die alle Gemüther mit bangen dumpfen Empfingen erfüllt, sich der Stadt näherte. … So wie man in den ersten Augenblicken des Unglücks noch immer an der Wirklich desselben zweifelt, sich mit Hoffnungen tröstet, und nur dann erst mit tieferem Schmerz davon überzeugt wird, wenn alle Umstände sein Daseyn und seine Dauer verkünden; so fühlten Alle jetzt erst mit trauriger Gewißheit die ganze Schwere der Gegenwart, und mit Oestreichs Niederlangen entfloh jede Hoffnung zur Rückkehr der glücklichen Vergangenheit.“
NAPOLEON VERLOR ALLES
Zwei Jahre später begann der Abstieg Napoleons – sein Russlandfeldzug war eine verheerende Niederlage: Wind, Wetter und wenig Nahrung in der unwirtlichen Weite des Zarenreichs führten zu großen Verlusten. Württemberg, das familiär enge Beziehungen mit dem Zarenhaus pflegte, kündigte Frankreich die Treue auf. Nach der Schlacht bei Paris 1814 danke Napoleon ab und ging ins Exil auf die Insel Elba bei Italien. Im darauffolgenden Jahre 1815 kehrte er von dort wieder zurück nach Frankreich – und übernahm erneut die Macht. Die Schlacht bei Waterloo im Juni 1815, ein Kampf gegen Preußen, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und weitere Staaten, besiegelte das politische Ende Napoleons. Er sollte fortan im Exil auf der britischen Insel St. Helena leben, wo er am 5. Mai 1821 starb.
DAS RESIDENZSCHLOSS NACH NAPOLEON
Nach dem endgültigen Sieg über Napoleon konnte der Deutsche Orden die alten Besitzungen nicht wiedergewinnen. In württembergischen Besitz wurde das Residenzschloss vielfältig genutzt: Vor allem im Äußeren Schloss wurden staatliche Behörden untergebracht. Im Hochschloss gab es wechselnde Mieter wie Stadtbücherei, Kleiderfabrik oder eine Ballettschule. In staatlicher Hand wurde die einstige Residenz des Ritterordens umfassend renoviert und erstrahlt heute wieder im herrschaftlichen Glanz. Die 800-jährige Geschichte des Ritterordens ist im Deutschordensmuseum dargestellt – von der Gründung bis heute. Auch die Prunkräume des ausgehenden 18. Jahrhunderts erzählen bis heute von den weitreichenden Aktivitäten des Deutschordens, etwa der Kapitelsaal, der zentrale Versammlungsraum, mit seinem filigranen Stuckdekor.
INFORMATIONEN
Aktuell ist das Residenzschloss Mergentheim wie der Großteil der Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg aufgrund der hohen Inzidenzzahlen der Corona-Pandemie geschlossen.